Sind Bewerbungsschreiben heute noch relevant?

November 08, 2023
Christine Wagener
Sind Bewerbungsschreiben heute noch relevant?

Bewerbungsschreiben im digitalen Zeitalter: Ein Relikt oder Notwendigkeit?

Rund um das Thema Bewerbungsschreiben entbrennt immer wieder eine lebhafte Debatte.
„Entsprechen Bewerbungsschreiben noch dem Puls der Zeit?“

Neben der Digitalisierung, die neue Bewerbungsmöglichkeiten und vereinfachte Bewerbungsprozesse hervorgebracht hat, verbinden Arbeitgeber mit der heute oft favorisierten Vereinfachung „Lebenslauf reicht!“ die Hoffnung, mehr Bewerbungen auf dem hart umkämpften Fachkräftemarkt zu erhalten. Gleichzeitig begünstigt der Verzicht auf ein Anschreiben aber auch das Phänomen der „Shotgun“-Bewerbungen.

„Shotgun-Bewerbung“ – Was ist das und haben Sie auch schon mal eine verschickt?

Der Begriff „Shotgun“-Bewerbung leitet sich von der englischen Bezeichnung für Schrotflinte („shotgun“) ab. Die Analogie besteht darin, dass eine Schrotflinte viele kleine Projektile verschießt, die eine große Fläche abdecken, anstatt präzise zu schießen. Analog dazu verleitet die Aussage „Lebenslauf reicht!“ viele Bewerber dazu – in der Hoffnung, irgendwo ins Schwarze zu treffen – auf eine breite Streuung zu setzen, anstatt sich intensiv mit den ausgeschriebenen Positionen und den ausschreibenden Unternehmen auseinanderzusetzen und sich gezielt zu bewerben. Solche Bewerbungen, die eher halbherzig wirken, zehren an Zeit und Ressourcen der Unternehmen und enden oft mit geringem Erfolg. Auf Bewerberseite stehen in der Regel standardisierte Absagen.

Wann reicht es, nur den Lebenslauf zu schicken?

Nur wenn ein Arbeitgeber ausdrücklich darum bittet, nur den Lebenslauf zu schicken, sollte man diesem Wunsch selbstverständlich nachkommen.
Immer häufiger bieten Arbeitgeber heute auch Bewerbungsalternativen an, die ein Anschreiben überflüssig machen (z.B. online zu beantwortende Vorabfragen oder eine erste Vorstellung per Kurzvideo).

Wenn Sie sich jedoch nur allzu gerne auf den schlichten Hinweis „Lebenslauf reicht!“ einlassen, weil Ihnen das Verfassen eines Anschreibens immer wieder als „Hürde“ erscheint, sollten Sie bedenken, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung dann nur auf Ihren bisherigen beruflichen Werdegang, also die Vergangenheit, stützen kann. Ihre Motivation und Ihre Ambitionen, die sich vor allem auf Ihren zukünftigen Beitrag für den neuen Arbeitgeber konzentrieren, stehen nicht in Ihrem Lebenslauf. Gerade diese können aber entscheidend sein, wenn Lebensläufe mehrerer Bewerber mehr oder weniger vergleichbar sind.

Achten Sie darauf, Ihren Lebenslauf für jede Bewerbung zu individualisieren?

Die Praxis zeigt auch,  dass der Verzicht auf ein Anschreiben – und damit die Möglichkeit, einen Lebenslauf „mal schnell“ per Klick abzuschicken – ebenso schnell zu einem Mangel an Individualisierung bei der Erstellung des Lebenslaufs führt. Diese ist aber schon deshalb besonders wichtig, weil Stellenausschreibungen – auch wenn sie in Bezug auf Branche und Positionsbezeichnung übereinstimmen – in der Regel individuelle Schwerpunkte aufweisen.
Um einen individuellen Bezug zwischen Ihnen und der ausgeschriebenen Stelle herzustellen, ist daher entscheidend, dass Sie für jede Bewerbung Ihren Lebenslauf individualisieren und u.a. immer die beruflichen Stationen und Kompetenzen besonders hervorheben, die für die jeweilige Stelle von besonderer Bedeutung sind.

Nicht jedes Unternehmen will und/oder kann Bewerbungsschreiben durch andere adäquate „Filter“ ersetzen. 

Natürlich führt der Verzicht auf das Bewerbungsschreiben bei Bewerbern meist zu großer Erleichterung. Unzählige Ratgeber schaffen es regelmäßig nicht, den Ratsuchenden zu helfen, der Forderung der Arbeitgeber nach einer „aussagekräftigen Bewerbung“ (neben Lebenslauf und Zeugnissen) gerecht zu werden.
Ergebnis all dieser Ratgeber sind in der Regel generische Bewerbungsschreiben mit einer Aneinanderreihung der immer gleichen Phrasen und überzogenen „Lobhudelei“ über das Unternehmen. Häufig werden sie erkennbar irgendwo abgeschrieben und für den Mehrfachversand erstellt.
Nur noch der jeweilige Adressat muss ausgetauscht werden. Den Empfänger solcher Bewerbungsschreiben ergreift oft die gleiche Verzweiflung oder Langeweile, die wahrscheinlich auch den Verfasser überkommen hat.

Je nach Branche und Position legen viele Unternehmen jedoch nach wie vor großen Wert auf ein Anschreiben.

Ein kurzes und überzeugendes Anschreiben zu verfassen, setzt voraus, dass man sich mit der ausgeschriebenen Stelle und dem ausschreibenden Unternehmen auseinandergesetzt hat. Gleichzeitig bietet es Ihnen die Chance, schon beim ersten Lesen zu den interessanten Kandidaten zu gehören. Gefragt sind jedoch andere als die üblichen (meist stereotypen) Inhalte.

Was gehört in ein effektives Bewerbungsschreiben?

Landläufige Meinung ist, eine Bewerbung sollte nicht länger als eine Seite sein.
Nach Abzug von Absender und Adressfeld, Betreffzeile und Datum bleibt also maximal eine halbe Seite, um sich „aussagekräftig“ zu präsentieren. Bei dieser Vorgabe wurde schon immer nicht berücksichtigt, dass ein Bewerber mit 15 Jahren Berufserfahrung wahrscheinlich mehr mitzuteilen hat als jemand, der nach wenigen Jahren in einem Job nun den ersten Wechsel anstrebt.

Ungeachtet dessen, in einem effektiven Bewerbungsschreiben geht es darum, die Aufmerksamkeit des Lesers schnell zu gewinnen und die eigene Eignung klar und prägnant zu kommunizieren. Das Schreiben muss nicht lang sein, um zu überzeugen. Wichtig ist, dass die wesentlichen Informationen enthalten sind.

Und wesentlich sind drei:

  1. Bewerbung um die Position: Gleich im ersten Satz sollte klar werden, für welche Position Sie sich bewerben. Aber verzichten Sie in jedem Fall auf solche oder ähnliche Phrasen wie „Mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung… gelesen!“ 
  2. Lebenslauf als Qualifikationsnachweis: Verweisen Sie auf Ihren beigefügten Lebenslauf, den Sie natürlich für die jeweilige Bewerbung individualisiert haben (ohne die Wahrheit zu strapazieren) und der alle relevanten Informationen über Ihre beruflichen Stationen und Qualifikationen enthält. Auf keinen Fall sollten Sie im Anschreiben noch einmal und detailliert darauf eingehen.
  3. Motivation für die Bewerbung: Für Ihren potenziellen neuen Arbeitgeber ist Ihre Motivation für die Bewerbung wichtig. Daran erkennt er, ob Sie sich ernsthaft mit der ausgeschriebenen Stelle und dem Unternehmen auseinandergesetzt haben.
    Nennen Sie in jeweils einem(!) Satz, zwei, maximal drei zentrale Beweggründe für Ihre Bewerbung.

Betonen Sie am Ende, dass Sie in einem persönlichen Gespräch gerne mehr über sich erzählen und über die ausgeschriebene Position erfahren möchten.


Hier finden Sie einen

Vorschlag für ein entsprechend aufgebautes Bewerbungsschreiben.

 

Bei den in dem Schreiben genannten Motivationsgründen für eine Bewerbung handelt es sich um denkbare Beispiele. Natürlich müssen diese immer unmittelbar zu der jeweils ausgeschrieben Position passen und sich auch tatsächlich mit Ihrer Motivation decken.

Viel Erfolg!

Um die Lesefreundlichkeit der Website zu verbessern, wird an einigen Stellen bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern ausschließlich die männliche Form verwendet. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten entsprechende Begriffe grundsätzlich für alle Geschlechter.

 

 

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